Von der Sprache lernen: Plädoyer für das Gespräch (1)

Matthias Mueller
2 min readAug 3, 2022
Beth Macdonald on Unsplash

Die Sprache weiss es immer schon. Deshalb lohnt es sich, auch im Geschäftsleben sorgfältig die gemeinsame Sprache zu entwickeln und zu entdecken. Dieser zweiteilige Artikel enthält im ersten Teil ein paar grundlegende Gedanken zum Gespräch, im zweiten ein paar Tipps, wie wir uns von der Sprache führen lassen können.

Ein Beispiel zum Anfang: Unser Team denkt gerade einen Alltags-Gegenstand neu. Es soll keine bahnbrechende Technologie mit tollen Features eingeführt werden. Der Gegenstand wird einfach von Grund auf neu «gebaut» und soll in die heutige Zeit passen, in der sich die Gestaltung von Alltag, Arbeit, Leben wandelt. Unser Motto lautet: «Unsere Lösung versteht dich und deinen Lebens-Arbeits-Stil.»

Wir reden über Namen: «Mobile first» sagt jemand. «New Business Class» ein nächster, oder «Mobiler». Jemand meint, das töne gut, aber es gehe ja nicht nur um Business. Dann kommt die Idee mit dem «Lebens-Arbeits-Stil». Ein Aufatmen in der Gruppe ist zu spüren. Das Englische erfasst im Moment nicht, was wir vermitteln wollen. Deutsch trifft’s besser. Ein Querdenker meint: «Abendwolke».

Begreifen, was es ist

Das Gespräch beginnt zu schwingen, und wir spüren, dass uns die Worte immer wichtiger werden. Es geht nicht um die Marketing-Story, sondern darum zu begreifen, was wir den Menschen vorschlagen wollen. Wissen wir, in welche Richtung uns unser Gespräch führt, werden wir auch wissen, wie der Alltagsgegenstand ausgestattet und gestaltet sein soll. Welche Geschichte wir vermitteln und erlebbar machen wollen.

Tatsächlich entspricht das meiner Erfahrung als Journalist, Schriftsteller, als Ausbildner oder Prozessbegleiter für Innovationen und Geschäftsentwicklung. Immer dann, wenn das Hören auf die Sprache wichtig wird, geschehen zwei Dinge: das Team wächst, und die Lösung/der Text wird relevant und erhält Bedeutung. Die Sprache gestaltet, was wir erreichen möchten. Sie macht Sinn. Und die Sprache führt zusammen und verbindet.

Dem Hören Raum geben

Als Geschäftsentwickler würde ich diesen Vorgang so zusammenfassen: Immer wenn das Hören auf die Sprache Raum einnimmt, wenn wir also Gespräche pflegen, sind tragfähige Lösungen nah.

Dazu gibt es übrigens ein Zitat von Max Frisch, das eben in den verschiedensten Kontexten wirkt: «Schreibend, auf der Suche nach dem Satz, der in der Wortwahl und in seinem Rhythmus endlich unsrer Erfahrung entspricht, entdecken wir, wie wir die Welt und uns selber wirklich erleben.»* Oder etwas abgewandelt: … entdecken wir, wohin wir wollen.

PS. Hier noch ein ganz einfaches Beispiel dafür, was Sprache macht. Oft lesen wir auf Webseiten Wertversprechen, die ähnlich formuliert sind: “Information, Beratung und Umsetzung. Das sind unsere Stärken”. Was hören Sie, wenn der Satz sagte: “Wir informieren. Wir beraten. Wir setzen um. Mit Ihnen”?

  • Max Frisch: Schwarzes Quadrat, Frankfurt a. M. 2008, S. 35.

Teil zwei des Artikels

Matthias Müller arbeitet als Geschäftsentwickler, Unternehmensberater und Schriftsteller. Sein neuestes literarisches Buch heisst «Auf der Schaukel der Sprache» (Caracol Verlag).

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Matthias Mueller

Journalist/writer focusing on sustainable development, digitization, innovation and design-oriented business development. Member of Swiss author's association.