Die Sprache ist schon immer da
Sie ist eine meiner Lieblingsthesen, die sich während des Schreibens verschiedener Textgattungen und während der Arbeit mit verschiedenen Teams herausgebildet hat:
Die Sprache ist schon immer da.
Was heisst das? Mich beeindrucken zum Beispiel immer wieder Workshop- und Innovationsprozesse, die gerade darauf hinaus laufen. Am Schluss, wenn das Team ein Resultat erarbeitet oder eine Neuerung skizziert hat, spricht es darüber. Und das tut es in einer Sprache, die eben schon vorhanden ist. Die Sprache hat schon immer gekonnt, was sich das Team erarbeitet hat.
Zuhören kommt zuerst
Was kann das konkret bedeuten, für eine Moderatorin, für einen Texter, für eine Auftraggeberin und einen Auftraggeber?
Nicht das Definieren kommt zuerst, sondern das Zuhören. Ich würde es als entwickelnd zuhören beschreiben. Einander zuhören — aber auch der Sprache zuhören. Wo gibt sie ein Einverständnis? In welche Richtung würde sie gehen? Wogegen sträubt sie sich?
Esoterisch? Aber nein. Es sind einfache Fragen, die dieses Zuhören ermöglichen, etwa: Passt das? Gibt es noch andere Weisen, das zu beschreiben? Was geschieht, wenn wir es einmal mit den genau gegenteiligen Worten beschreiben? Welche Worte, Sätze, Bilder tauchen auf, wenn wir daran arbeiten?
Es ist in der Sprache beschlossen
Was ich hier mit dem Beispiel eines Innovations-Teams beschrieben habe, trifft auch auf Redaktions-Teams und den Austausch mit Auftraggebenden zu.
Es braucht nicht viel. Ein wenig Mut, der Intuition zu folgen. Die Bereitschaft zuzuhören und nicht bestimmen zu wollen. Meine Erfahrung lehrt mich: wenn es so weit ist und stimmt, dann stimmt es.
Nachtrag: Diesen Satz hat Ingeborg Bachmann 1955 gesagt: «Gestern, heute und morgen liegen in ihr (der Sprache) beschlossen.» ( «Wir müssen wahre Sätze finden» — Gespräche und Interviews)